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2020
 

 

Das Versagen

Sonntag, 2020-12-20 | 23:44:03 CET

Am liebsten hätte ich nicht mehr über Corona schreiben müssen … und im Sommer sah es ja auch so aus, als wäre die Pandemie hier grösstenteils ausgestanden. Die erste Welle knapp überstanden, die Fallzahlen tief, erste Erfolgsmeldungen aus der Impfstoffforschung – und dann kam alles anders. Es sieht so aus, als seien der Schweiz sonst eher positiv wirksame Faktoren zum Verhängnis geworden.

Die Politik glänzt hier mit Stabilität und einem ausgeprägten Hang zum Kompromiss, aber meist nicht mit grosser Schnelligkeit – ein Virus wartet jedoch nicht. Das Konkordanzprinzip sorgt dafür, dass sich richtige Einzelmeinungen z.B. des Gesundheitsministers im Bundesrat nicht unverwässert durchsetzen. Der Föderalismus (aka »Kantönligeist«) ist stark ausgeprägt und wird zum Hemmschuh, wo einheitliche landesweite Massnahmen notwendig wären, aber stattdessen ein Flickenteppich mit vielen kantonalen Unterschieden entsteht. Einen starken, in dem Fall leider sehr problematischen Einfluss hat die traditionell einflussreiche Wirtschaftslobby, die sich bis zum Schluss mit Händen und Füssen gegen Eindämmungsmassnahmen wehrte. Auch die Mentalität spielt eine Rolle: unangenehmen Wahrheiten sieht man in der erfolgsverwöhnten und nicht wahnsinnig krisenerprobten Schweiz eher nicht so gerne in's Auge. Viele Menschen sind es nicht gewöhnt, sich einzuschränken.

Es wird Berufeneren und nachfolgenden Generationen überlassen bleiben, das Versagen in der Bekämpfung der globalen Pandemie im Jahr 2020 genauer zu analysieren, und welchen der obigen Faktoren man dabei welches Gewicht beimessen wird, ist offen. Alle werden eine grössere oder kleinere Rolle dabei gespielt haben, dass die Schweiz so hart von der zweiten Welle getroffen wurde. Dabei ist nur ein kleiner Trost, dass es vielen anderen Ländern nicht so wahnsinnig viel besser geht, auch wenn die Ansteckungszahlen der Schweiz zeitweilig wirklich die höchsten in Europa waren.

So sitzen wir also kurz vor Weihnachten alle zuhause – zumindest die unter uns, die nicht arbeiten können oder dürfen, oder die Privilegierten, die ihren Job von zuhause aus erledigen können. Restaurants, Sportstätten und Kultureinrichtungen sind geschlossen, viele davon sehr akut in ihrer Existenz bedroht, Reisen ist nahezu unmöglich geworden oder mit grossen Hemmnissen verbunden. Nur Skifahren, das kann man in der Schweiz absurderweise an manchen Orten noch (wer weiss, wie lange noch) … zu dumm, dass mir das Herumrutschen auf Brettern im Schnee noch nie etwas bedeutet hat.

Der halbherzige »Lockdown light« läuft Gefahr, sein Ziel zu verfehlen, und verhagelt trotzdem allen die Laune und das Weihnachtsfest. Von den vielen Toten reden wir erst gar nicht.

Das hätte nicht sein müssen.

November 2020
 

Ein Alptraum ist (fast) vorbei

Montag, 2020-11-09 | 0:12:43 CET

Ein besseres Wort fällt mir für die vergangenen vier Jahre Trump-Präsidentschaft nicht ein. Vier Jahre Grausamkeiten, Skandale, Korruption, Lügen, Poltik mit der Abrissbirne. Das konnte einem auch in Europa nicht egal sein.

Jetzt ist die Erleichterung gross, dass es für Biden/Harris doch noch gereicht hat – auch wenn es reichlich unbegreiflich scheint, wie das überhaupt knapp hat werden können. Ein halbes Dutzend Skandalbücher, zwei Dutzend Frauen mit Belästigungs- oder gar Vergewaltigungsvorwürfen, sinnlose Handelskriege und ein explodierendes Defizit, ein Amtsenthebungsverfahren und zum krönenden Abschluss eine Viertelmillion Tote dank eines vollkommenen Versagens bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, das alles (und viel mehr, die Liste wäre endlos) hat nicht gereicht, seine Zustimmungsquote signifikant zu drücken.

Und bei aller nahezu täglichen Entrüstung, konnte und wollte man den Geschehnissen in Amerika überhaupt noch folgen, ohne ein nervöses Augenzucken zu entwickeln, hatte sich doch so etwas wie eine gewisse Gewöhnung, sagen wir besser: Abstumpfung eingestellt.

Umso grösser der Schock jetzt, hört man die Siegesrede von Joe Biden: da spricht ein Mensch mit Charakter und Erfahrung, und ganz so wie ein Präsident sprechen sollte. Und nicht mehr ein Vertreter der New Yorker Immobilien-Mafia. Biden muss kein grossartiger Präsident werden, ich bin schon froh, wenn wieder etwas Normalität Einzug hält. Und eine Frau als Vize.

Oktober 2020
 

Ein besonderer Moment

Donnerstag, 2020-10-22 | 21:34:38 CET

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18 Monate. CHF 1'685. Eine schriftliche Prüfung. Ein Gespräch mit der Gemeindepräsidentin. Ich kann es noch nicht ganz glauben, und aktuell ist auch niemandem zum Feiern zumute … demnächst mehr. Jetzt erstmal: stille Freude.

 

Die zweite Welle

Sonntag, 2020-10-18 | 23:14:27 CET

Der Scheinfrieden, wenn auch einer mit Maske zumindest in Teilen des Alltags, unbehaglichen Gefühlen bei zu grosser Nähe zu Fremden und argwöhnischem Verfolgen der jeweils neuesten Infektionszahlen hier und anderswo, ist vorbei. Es herrscht wieder Alarmstufe rot, nachdem die Zahl der Ansteckungen in den letzten zwei Wochen auch in der Schweiz explodiert ist, nach diversen »Superspreader Events« (wie man sich an die neuen Vokabeln bereits gewöhnt hat!), darunter z.B. ausgerechnet einem Jodler-Treffen im Kanton Schwyz. Man könnte es nicht besser erfinden. – Es zeigt sich, dass jene, die eine zweite Welle für den Herbst vorausgesagt hatten, im Recht waren. Ebenso zeigt sich, ernüchternd: der vielgescholtene Bundesrat hatte die Lage nach seinem Eingreifen im März besser im Griff; kaum ist die Corona-Bekämpfung zurück in der Hand der Kantone, gerät die Situation prompt ausser Kontrolle. Wahr ist allerdings auch: die Menschen werden schlicht müde, haben es verständlicherweise satt und sehnen die vermeintliche Normalität herbei. Da wird man leicht nachlässig. Ebenso wahr ist, dass sich selbst ein wohlhabendes Land wie die Schweiz einen längeren (oder gar zweiten) Lockdown nicht leisten kann. So blieb nur der schwierige Eiertanz zwischen Risikovermeidung und möglichst grosser Schonung der Wirtschaft. Heute muss man sagen: hat nicht geklappt. Es ist deprimierend.

September 2020
 

Drei Alben

Sonntag, 2020-09-27 | 19:07:25 CET

Nach Büchern und Filmen kommt – Musik (natürlich). Ohne grosse Vorrede … und von links nach rechts.

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Herrliches Cover, und es passt zum ersten Track, der auch gleich das Highlight des Albums darstellt: Sparkle Division, »To Feel Embraced« [1]

Eine musikalische Spassgranate aus Frankreich, mit rätselhaften, teils deutschen (!) Texten. Kompromat, »Traum und Existenz« [2]

Ein friedlicher Ausflug in einen Fantasie-Wald mit vielen bunten Tieren, entspannend und einfach schön: Dijf Sanders, »Moonlit Planetarium« [3]

[1] => https://sparkledivision.bandcamp.com/album/to-feel-embraced

[2] => https://kompromat-official.bandcamp.com/album/traum-und-existenz

[3] => https://dijfsanders.bandcamp.com/album/moonlit-planetarium

 

Drei Filme

Sonntag, 2020-09-20 | 14:42:10 CET

Wir setzen heute die Reihe mit drei interessanten Filmen fort, mit denen sich der eine oder andere COVID-geprägte Herbstabend gestalten lässt. Alle drei haben mich beeindruckt und sind absolut sehenswert, die mässigen Ratings bei TMDB hin oder her. Man muss vielleicht ein wenig das Flair für schräge Streifen haben …

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Der aktuellste der drei empfohlenen Filme; kompromisslos gedreht und getragen von exzellenten Schauspielern, da stört eine gewisse Vorhersehbarkeit nicht. Ein toller Trip in den Wahnsinn: »Der Leuchtturm« [1]

Das kleine Budget sieht man dem Film kaum an, die ausgesprochen verrückte Idee hinter der Handlung sucht ihresgleichen. Da lohnt sich etwas erklärende Lektüre, oder man schaut ihn ein zweites Mal, was ganz gewiss nicht schadet. Grosses Kopfkino: »Upstream Color« [2]

Vollends in's Verrückte driftet »Beyond the Black Rainbow« ab, aber die Stimmung ist einzigartig. Das ist der Film, von dem der Zwölfjährige in der Videothek geträumt hat, als er die Cover der VHS-Kassetten bestaunte, die er noch nicht ausleihen durfte [3]

[1] => https://www.themoviedb.org/movie/503919-the-lighthouse

[2] => https://www.themoviedb.org/movie/145197-upstream-color

[3] => https://www.themoviedb.org/movie/50037-beyond-the-black-rainbow

 

Drei Bücher

Sonntag, 2020-09-13 | 23:27:48 CET

Monate sind vergangen seit meinem letzten Artikel – sorry dafür. Wahrscheinlich haben wir derzeit alle andere Sorgen, und mein Job hat mich in den letzten Monaten auch arg gefordert. – Zum Thema Corona gäbe es schon wieder einiges zu sagen, darunter leider viel Negatives … dank schneller Lockerungen und zögerlicher Eindämmungsmassnahmen (Maskenpflicht usw.) stecken wir mehr oder weniger im Beginn einer zweiten Welle, mit zwar nicht exponentiellem, aber stetigem Wachstum von Infektionszahlen, und ich sitze noch immer zumindest teilweise im »Home Office« fest. Normalität? Weit entfernt! So weit, so deprimierend.

Nun wird die Lage durch Klagen und Grübeln aber nicht besser, daher heute zu einem anderen Thema. Ablenkung hilft ja manchmal auch, und womit wäre das besser möglich als mit schön gemachten Büchern? Bei der gemütlichen Lektüre zuhause kann man sich wenigstens kein Virus einfangen. Heute empfehle ich drei herrliche »Coffeetable Books«.

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Ein grossartiger Fotoband mit ungeahnt ästhetischen Aufnahmen technischer Anlagen, Fertigungsstrassen, Messräume, Windkanäle usw. – der Titel trifft es gut: »Unintended Beauty«. Fotos von Alastair Philip Wiper, erschienen bei Hatje Cantz.

Ein tolles Blog für SciFi- und Typographie-Fans, über das war ich mal vor Jahren zufällig gestolpert, war begeistert und hatte es auch hier verlinkt. Inzwischen gibt es das Material, noch einmal deutlich erweitert, in Buchform. »Typeset in the Future: Typography and Design in Science Fiction Movies« von Dave Addey, bei Abrams. Grossartig!

Und für Hardcore-Nerds, die sich für elektronische Klangsynthese mit modularen Systemen begeistern können: »Patch and Tweak – Exploring Modular Synthesis« von Kim Bjørn und Chris Meyer ist gut aufbereitet und toll illustriert. Es gibt auch eine interessante Website dazu [1].

[1] => http://patchandtweak.com/

Mai 2020
 

Corona zum Dritten

Montag, 2020-05-25 | 0:06:05 CET

Einige weitere Wochen sind mittlerweile wie im Fluge vergangen, und die frohe Botschaft ist natürlich, dass es mit einigem Effort und unter grossen v.a. wirtschaftlichen Opfern gelungen ist, »die Kurve« abzuflachen. Das ist erst einmal grossartig, konnte doch eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindert werden. Die Zahl der täglichen Neuansteckungen ist erfreulich gering, und während jeder einzelne Tote einer zu viel (und die tägliche Null noch nicht erreicht) ist, gibt es auch hier einen breiten Silberstreifen am Horizont. Und: wir dürfen uns wieder professionell die Haare schneiden lassen, wenn auch höchst ungewohnt mit Maske. Grosser Fortschritt! Nicht unbedingt wegen meines Looks, aber für das Coiffeur-Gewerbe, wo endlich wieder Geld verdient werden kann.

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Damit hat es sich allerdings leider mit den guten Nachrichten. Der ganze Rest: zum Verrücktwerden. Nachdem sich der Schweizer Bundesrat lange durch vernünftige Entscheidungen und klare Kommunikation hervorgetan und damit weitgehend erfolgreich die akute Krise entschärft hat, ist man mittlerweile unter dem Druck der Wirtschaft, von Lobbyisten und dem eher rechten politischen Lager (und unter dem Eindruck einer Corona-Müdigkeit bei der Bevölkerung) ein bisschen sehr schnell an's Lockern gegangen. Ich bin damit einverstanden, den wirtschaftlichen Schaden nicht unnötig gross werden zu lassen. Zu viele Existenzen sind bedroht. Auf der anderen Seite hätte ich es vernünftig gefunden, bei einem schrittweisen Vorgehen zu bleiben, und nach jeder Lockerungsmassnahme ihre Auswirkungen zu beobachten, bevor man den nächsten Schritt macht. So ist man nun vor lauter Eile fast über seine eigenen Füsse gefallen, und nicht nur geht jetzt plötzlich wieder fast alles – auch die klare Kommunikation hat unter dem forschen Vorgehen gelitten. Bei vielen hat die Kombination aus erfreulichen Zahlen und den zahlreichen Lockerungsmassnahmen den falschen Eindruck entstehen lassen, die Sache sei ausgestanden, und man müsse nun eigentlich keinerlei Rücksicht mehr nehmen. Und es vergeht kein Tag ohne neue Forderungen irgendwelcher Gruppen, Einschränkungen aufzuheben …

Dazu kommen die erstaunliche Fähigkeit der Menschen, unangenehme Erinnerungen sehr schnell zu verdrängen, und das »Präventions-Paradox«: die Tatsache, dass der begrenzte Schweizer »Lockdown« funktioniert hat, wird nun als Beleg dafür gesehen, dass er eigentlich gar nicht nötig, oder jedenfalls übertrieben gewesen sein muss. Was für ein Unsinn.

Der lässt sich allerdings noch steigern: kaum ist der Lockdown de facto grossenteils vorbei, sammeln sich Esoteriker, Verschwörungstheoretiker und andere Spinner, um gegen selbigen zu protestieren. Ich sag's mal so: grundsätzlich ist es zu begrüssen, wenn die Menschen sich ihre Rechte nicht blind und kritiklos nehmen lassen. Auch bin ich dafür, dass das Demonstrationsrecht schnell wieder hergestellt wird. Wenn man unter gewissen Bedingungen (Sicherheitsabstand etc.) einkaufen kann, kann man auch unter Einhaltung von Sicherheitsregeln demonstrieren. Aber wenn jemand ernsthaft denkt, das Virus gäbe es in Wirklichkeit gar nicht, und sich so über den Lockdown sorgt, wieso war diese Person dann nicht am 18. März auf der Strasse? »Kann ja nichts passieren«, wenn es das Virus nicht gibt?

Am Schluss bleibt das mulmige Gefühl, auf einem Pulverfass zu sitzen. Ziemlich viele Menschen haben offensichtlich keinerlei Lust mehr, sich an irgendwelche Sicherheitsabstände zu halten oder Menschenansammlungen zu meiden. Die, die am lautesten nach einer Maskenpflicht gerufen und den Bundesrat dafür kritisiert hatten, nicht schnell genug Masken herbeigeschafft zu haben, weigern sich jetzt, eine zu tragen – trotz klarer Maskenempfehlung für den ÖV, beispielsweise. Restaurants sind wieder offen, Kirchen gehen wieder auf: Beispiele aus Deutschland zeigen, wie schnell ein einzelner Funke das Feuer wieder anfachen kann (20 Neuinfizierte nach einem Restaurantbesuch, in Frankfurt über 100 nach einem Gottesdienst …) – da ahnt man nichts Gutes für die kommenden Monate.

April 2020
 

Corona-Update

Sonntag, 2020-04-05 | 22:25:36 CET

Seit meinem letzten Statusbericht sind etwa drei Wochen vergangen, und eigentlich gibt es nicht viel zu ergänzen. Die Menschen haben nun doch zunehmend den Ernst der Lage begriffen und sich an den »Lockdown« gewöhnt. Es gibt noch immer einige Unbelehrbare, aber der Anteil der Bevölkerung, der sich vor allem zuhause aufhält und draussen sichtbar um Abstand bemüht ist, ist grösser geworden. Es gehört inzwischen fast zur täglichen Routine, die neuesten Ansteckungszahlen zu studieren und den Verlauf »der Kurve« (jeder weiss inzwischen, was gemeint ist) auf die herbeigesehnte Abflachung zu untersuchen. Diese lässt sich zwar weiter nur erahnen, aber dass die Zahl der Infizierten nicht mehr exponentiell steigt, wird doch langsam sichtbar: keine Entwarnung, aber ein ganz leichtes Aufatmen. Und man gewöhnt sich an erstaunlich viel: zum Beispiel daran, dass jeder Gang in den Supermarkt ein Abenteuer aus Absperrbändern, Desinfektionssprays, bizarren Lautsprecherdurchsagen und punktuell ab und zu leeren Regalen (WC-Papier, Mehl, frische Hefe) bleibt. – Ein kleines Wunder ist auch geschehen: mein in der Hinsicht eher konservativer Arbeitgeber hat in ziemlich erstaunlichem Tempo und im grossen Stil den Remote-Zugang und damit »Home Office« ermöglicht. Was ganz neue Herausforderungen mit sich bringt, aber doch erstaunlich gut funktioniert … die Leute haben recht schnell den Umgang mit Konferenzschaltungen, Instant Messaging, Citrix, Webex usw. erlernt. Schwierig bleibt nach wie vor das Thema Haareschneiden: jeder, der's mal zuhause probiert (und nicht eh schon immer praktiziert) hat, weiss die Arbeit der Coiffeure inzwischen noch viel mehr zu schätzen. Wie auch immer die Corona-Katatrophe endet: struppig aussehen werden am Ende die meisten. Ein bizarres neues Leben ist das, und das Bizarrste dabei ist, wie wir uns schon fast in diesem neuen Leben eingerichtet haben. Und ja, es ist mir vollkommen klar: als jemand, der noch einen Job hat und weiter ein Gehalt verdient, von einem relativ komfortablen Home Office aus, habe ich allen Grund zur Dankbarkeit. Für sehr, sehr viele Menschen geht die aktuelle Lage mit deutlich grösseren Härten einher. Kein Grund zum Jammern also!

März 2020
 

Corona-Gedanken

Montag, 2020-03-16 | 23:13:22 CET

Die Schraube hat sich wie erwartet weitergedreht, wenn auch unerwartet schnell. Die Infektionsraten sind immer noch zu hoch, ein Teil der Menschen hat die Empfehlungen nicht ernst genug genommen. Ab Mitternacht befindet sich die Schweiz im »Lockdown«, die Armee unterstützt mit 8000 Mann.
Das Ganze bekommt langsam etwas Apokalyptisches. Der Weg bis zum Schreibtisch im Geschäft kommt einem vor wie eine gefährliche Expedition durch ein Kriegsgebiet, wenn auch eines mit einem unsichtbaren Gegner. Klinken fasst man nur noch mit Papier an, oder vermeidet den Handeinsatz mit geschickten Verrenkungen ganz. Jedes Husten wird mit argwöhnischen Blicken bedacht. Erste Amtshandlung am Morgen ist das Abwischen von Tisch, Tastatur und Maus mit einem Desinfektionstüchlein, das dem Corona-Virus vermutlich eh nicht gewachsen ist. Und so, mit Anflügen unterdrückter Panik, wird es Wochen oder Monate weitergehen, in denen Leute lieber einen grossen Ausweichbogen durch die Wiese machen, als direkt an einem vorbeizulaufen. Ich prophezeie, dass das ganze Malheur auch langfristig deutliche Spuren in der Psyche und dem Verhalten der Menschen hinerlassen wird. Ist die Welle mal vorbei, wird man sich ausgiebig mit den herangezüchteten Angstörungen, Waschzwängen, Schlafproblemen, Depressionen und Hautkrankheiten dank zuviel Desinfektionsmittel herumschlagen dürfen. Ziemlich bald werden wir es auch mit zahlreichen verhunzten Frisuren zu tun bekommen: Coiffeure dürfen nicht mehr arbeiten. Da tun sich neue Einsatzgebiete für die Papierschere im heimischen Büro auf!
Neben Ängsten und einigen hässlichen Charakterzügen der lieben Mitmenschen offenbaren sich aber auch die guten Seiten: es ist ein Gemeinsamkeitsgefühl, eine Solidarität zu spüren. Wir sitzen ja doch alle gemeinsam in diesem Mist.

 

Leben in Ungewissheit

Mittwoch, 2020-03-11 | 22:55:08 CET

Konnte man sich in den letzten Jahren, eigentlich Jahrzehnten in Deutschland und der Schweiz sehr sicher fühlen (ein zu wenig geschätztes Privileg), erleben wir jetzt, wie schnell sich die Dinge ändern können: ein Virus zeigt uns die Grenzen auf, führt zu einem Gefühl der Bedrohung, wie ich es, denke ich, zuletzt 1986 (Tschernobyl) empfunden habe – eine vermeintlich ferne Katastrophe steht innerhalb kürzester Zeit buchstäblich vor der Tür und bringt Gewissheiten in's Wanken.

Was man dabei derzeit lernen kann: dass Ignoranz (»was soll mir schon passieren?«) und Egoismus (»gestern noch das Desinfektionsmittel aus dem Krankenhaus-WC geklaut!«) noch immer herausragende Eigenschaften des Menschen sind. In der Krise ist sich wieder einmal fast jeder selbst der Nächste: »ich, ich, ich!« – und Vernunft wird dabei nicht gross geschrieben.

Ausdrücklich ausgenommen ist davon das unter starkem Druck stehende Personal in Krankenhäusern und Arztpraxen, aber auch Pflegende zuhause. Dort sind die selbstlosen Helden dieser Krise zu finden, die es zum Glück auch noch gibt.

Lernen kann man auch, wie rasant sich ein Erreger wie COVID19 SARS-CoV-2 in vernetzten Zeiten wie diesen ausbreiten kann, und dass die Mehrzahl der Menschen grösste Schwierigkeiten hat, sich vorzustellen, was exponentielles Wachstum (etwa von Ansteckungszahlen) tatsächlich bedeutet. Bis die Mehrheit der Bevölkerung den Ernst der Lage begriffen hat, ist es schon zu spät.

Nebenbei eine Parallele zum Klimawandel: mittlerweile relativ gut verstanden und wissenschaftlicher Konsenz, die dramatischen Folgen lassen sich konkret prognostizieren, und breit herumgesprochen hat sich das Thema derweil ja auch. Passieren – tut herzlich wenig. Menschen sind nicht sehr gut darin, solche unangenehmen Wahrheiten zu akzeptieren und die Konsequenzen zu ziehen, das eigene Verhalten betreffend (ich nehme mich da nicht aus). Von der Politik reden wir erst gar nicht.

Die Welt scheint aus den Fugen zu geraten, und es bleibt derzeit nur das ungute Gefühl, auf eine Wand zuzufahren. Bei COVID19 wird sich schon in den nächsten Tagen entscheiden, wie dramatisch die Entwicklung ausfällt: die Kurve mit der Zahl bestätigter Infektionen in der Schweiz sieht ziemlich genau so aus wie die von Italien, die Schweiz liegt lediglich auf der Zeitachse einige Tage zurück. Wie es heute in Norditalien aussieht, ist bekannt. Da muss die Klimakatastrophe noch etwas warten … ich gehe dann mal Hände waschen.

Januar 2020
 

Welcome 2020

Mittwoch, 2020-01-01 | 23:15:17 CET

Da ist es also passiert, schon haben wir 2020 – noch bevor ich mich an das in den grossen Zügen sehr konstante, im Detail aber recht turbulente 2019 so richtig gewöhnt hatte. Wünsche allen Lesern, gut gerutscht zu sein! Und hoffe, in diesem Jahr mein Vorhaben von 2019 umsetzen zu können, das Blog auf eine technisch bessere Lösung umzustellen. Dem alten Perl-Script, das ich zwischen 2004 und 2007 in müffeligen Hotelzimmern und irgendwelchen Appartments in Singapur entwickelt habe, würde ich nicht zu sehr nachweinen. Aber tja, alles eine Frage der Zeit … und die wird ja immer kostbarer.