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Leben in Ungewissheit

Mittwoch, 2020-03-11 | 22:55:08 CET

Konnte man sich in den letzten Jahren, eigentlich Jahrzehnten in Deutschland und der Schweiz sehr sicher fühlen (ein zu wenig geschätztes Privileg), erleben wir jetzt, wie schnell sich die Dinge ändern können: ein Virus zeigt uns die Grenzen auf, führt zu einem Gefühl der Bedrohung, wie ich es, denke ich, zuletzt 1986 (Tschernobyl) empfunden habe – eine vermeintlich ferne Katastrophe steht innerhalb kürzester Zeit buchstäblich vor der Tür und bringt Gewissheiten in's Wanken.

Was man dabei derzeit lernen kann: dass Ignoranz (»was soll mir schon passieren?«) und Egoismus (»gestern noch das Desinfektionsmittel aus dem Krankenhaus-WC geklaut!«) noch immer herausragende Eigenschaften des Menschen sind. In der Krise ist sich wieder einmal fast jeder selbst der Nächste: »ich, ich, ich!« – und Vernunft wird dabei nicht gross geschrieben.

Ausdrücklich ausgenommen ist davon das unter starkem Druck stehende Personal in Krankenhäusern und Arztpraxen, aber auch Pflegende zuhause. Dort sind die selbstlosen Helden dieser Krise zu finden, die es zum Glück auch noch gibt.

Lernen kann man auch, wie rasant sich ein Erreger wie COVID19 SARS-CoV-2 in vernetzten Zeiten wie diesen ausbreiten kann, und dass die Mehrzahl der Menschen grösste Schwierigkeiten hat, sich vorzustellen, was exponentielles Wachstum (etwa von Ansteckungszahlen) tatsächlich bedeutet. Bis die Mehrheit der Bevölkerung den Ernst der Lage begriffen hat, ist es schon zu spät.

Nebenbei eine Parallele zum Klimawandel: mittlerweile relativ gut verstanden und wissenschaftlicher Konsenz, die dramatischen Folgen lassen sich konkret prognostizieren, und breit herumgesprochen hat sich das Thema derweil ja auch. Passieren – tut herzlich wenig. Menschen sind nicht sehr gut darin, solche unangenehmen Wahrheiten zu akzeptieren und die Konsequenzen zu ziehen, das eigene Verhalten betreffend (ich nehme mich da nicht aus). Von der Politik reden wir erst gar nicht.

Die Welt scheint aus den Fugen zu geraten, und es bleibt derzeit nur das ungute Gefühl, auf eine Wand zuzufahren. Bei COVID19 wird sich schon in den nächsten Tagen entscheiden, wie dramatisch die Entwicklung ausfällt: die Kurve mit der Zahl bestätigter Infektionen in der Schweiz sieht ziemlich genau so aus wie die von Italien, die Schweiz liegt lediglich auf der Zeitachse einige Tage zurück. Wie es heute in Norditalien aussieht, ist bekannt. Da muss die Klimakatastrophe noch etwas warten … ich gehe dann mal Hände waschen.

 

Kommentare
 

Viel Wahres, aber …

von Schubsi - Donnerstag, 2020-03-12 | 12:37:30 CET

<klugscheißmodus=an>
COVID19 ist die Krankheit, die das Virus heißt eigentlich SARS-CoV-2, aber das ist nur ein Detail.
</klugscheißmodus=aus>
Hier in D schaut es auch nicht besser aus. Gleiche Steigung der exponentiell aufgetragenen Fallzahlen wie in Italien oder China, aber wirklich in Bewegung kommt hier auch nix (zumindest bisher nicht). Außer vielleicht, dass Kinder, die in den Faschingsferien in Südtirol waren, jetzt zwei Wochen nicht in die Schule dürfen. Ansich ja OK, der dazugehörige Erlass kam aber erst nach (!) der ersten Schulwoche …  …und die Eltern (die ja auch in Südtirol waren) gehen brav jeden Tag in die Schule und holen die Hausaufgaben für ihre Kinder (kein Scherz) …

Wirklich Sorge bereiten mir vor allem meine Eltern, beide knapp 80 (mein Vater hat dieses Jahr seinen runden Geburtstag), also in der Höchstrisikogruppe … :-(

In diesem Sinne, alles Gute für die Zukunft …
 

Stimmt natürlich

von admin - Donnerstag, 2020-03-12 | 20:25:36 CET

 … und eigentlich wusste ich das auch. Am Ende ist der Name nicht ganz so entscheidend. Ich hätte nur gerne, dass es aufhört.

Drücken wir uns die Daumen!