2018
Mittwoch, 2018-12-26 | 23:03:01 CET
Die allergrösste Enttäuschung ist für mich eigentlich, dass ich es die letzten Monate so gar nicht mehr geschafft habe, Lebenszeichen auf meinem Blog abzusetzen – wer wissen wollte, ob ich nach wie vor den Schweizer Finanzplatz unsicher oder komische Musik mache, der konnte sich nur (und auch nur begrenzt) auf meine sparsamen Twitter-Aktivitäten stützen.
Heute ist es doch noch einmal so weit – und da es von Beruflichem oder Hobbies nicht sehr viel Bewegendes zu berichten gibt, erzähle ich schnell etwas zur grössten Enttäuschung (mein Blog ausgenommen) und zur grössten positiven Überraschung in 2018, in kulturellen Dingen. Oder sagen wir: was Literatur und Film angeht. Die »Entführung aus dem Serail« an der Zürcher Oper war ein tolles Erlebnis, und ganz nach meinem Geschmack ist auch meine neueste Entdeckung Moritz Simon Geist [1] mit seinen »Sonic Robots«, aber dazu vielleicht ein andermal.
Die grösste Enttäuschung also? Altmeister Lynch mit der sehr verspäteten und eigentlich unnnötigen Fortsetzung von »Twin Peaks«. Wer sich durch die 18 (!) Folgen gequält hat, ohne vorzuspulen, muss ein echter Fan sein. Man sieht den Schauspielern an, dass sie das Wiedersehen sehr genossen haben müssen: so ein Klassentreffen ist toll, auch wenn so manches Twin Peaks-Motiv inzwischen reichlich ausgelutscht erscheint (z.B. das sichtbar gealterte, aber nach wie vor dümmlich-naiv agierende Personal der Polizeistation). Der Rest aber sind eine Handvoll gelungene Einzelszenen, die nach wie vor die Handschrift des Meisters und seinen Blick für Charaktere und schräge, kleine Einfälle erkennen lassen; alles weitere ist schamloses Zeitschinden oder ungebremstes Abdriften in vollkommen surreale Szenerien. Ich halte David Lynch ja immer noch für ein Genie, aber man muss seine Kreativität sanft lenken, wenn etwas Geniessbares herauskommen soll. Leider hatte er bei dieser »Twin Peaks«-Fortsetzung vollkommen freie Hand, und niemand konnte ihn disziplinieren. Man merkt es.
Die tollste Überraschung? Wo Lynch mich mit seiner überbordenden Fantasie eher genervt als gefesselt hat, zeigt Jeff VanderMeer mit seiner herausragenden »Southern Reach«-Trilogie, wie man sein Publikum mit subtileren, aber sehr viel wirksameren Tricks in den Bann zieht. Es ist selten geworden, dass mich ein Buch derart fesselt. Fantasievoll, sprachlich stark und erstaunlich spannend, obwohl – etwa im zweiten Band, »Autorität« – gar nicht unbedingt viel Spektakuläres geschieht. Es reichen ein paar wenige bizarre Ideen, und vor allem: genügend Raum zu lassen für die Fantasie des Lesers, der viele nicht auserzählte Lücken für sich selbst füllen darf. Die Verfilmung des ersten Bands (»Auslöschung«), die ebenfalls sehenswert ist, kann mit der Vorlage hier naturgemäss nicht mithalten.
Nebenbei: interessant, dass der New Yorker [2] in einem lesenswerten Artikel zu VanderMeer und seiner Trilogie einen Vergleich zu einem recht unbekannten und leider m.E. auch stark unterbewerteten Film von Shane Carruth zieht, »Upstream Color« [3]. Den schätze ich sehr und kann ihn Freunden des Speziellen wärmstens empfehlen.
Apropos schräge Filme: heute hatte ich das Vergnügen mit »Entertainment« [4], einer einzigen filmischen Depression. Ein Kommentator nannte den Streifen »A meditation on humanity's decay. The Lawrence of Arabia for American depressives« [5] und liegt damit nicht völlig falsch. Bei allem lakonischen Humor (und einem grossartigen Hauptdarsteller) bleibt einem doch das Lachen zunehmend im Halse stecken. Prädikat »schwer auszuhalten«, Empfehlung für Feiertage aller Art!
Vielleicht sollte ich auf meinem Blog mal wieder einen »Weird Movie of the Month« einführen. Empfehlungen hätte ich ein paar. Ein guter Vorsatz für 2019? Wie auch immer, guten Rutsch!
[1]
http://sonicrobots.com/
[2]
https://www.newyorker.com/culture/cultural-comment/weird-thoreau...
[3]
https://www.themoviedb.org/movie/145197-upstream-color
[4]
https://www.themoviedb.org/movie/246133-entertainment
[5]
https://moviechat.org/tt3343784/Entertainment/58c7dd44f9fcca09a0...
Donnerstag, 2018-09-20 | 23:29:51 CET
Wer mich kennt, kennt auch meine perverse Begeisterung für Tests fremdartiger, oft nicht ganz zufällig japanischer Produkte. Heute ist es wieder soweit. Es geht um ein unverdächtiges PET-Fläschchen mit … Wasser?

Mitnichten! Und auch um Wodka handelt es sich nicht. Es ist kaum zu fassen: die glasklare Flüssigkeit hat den intensiven Geschmack gesüssten schwarzen Tees mit Milch (!), und ist dabei noch durchaus lecker. Der vermutlich ziemlich künstliche Geschmack ist recht realitätsnah, und viel schlechter als hiesige Süssgetränke ist das Zeugs auch nicht. Aber man staunt schon!

Last but not least: Warnhinweise auf der Rückseite (s.o.) sind unbedingt zu beachten.
Lustig, das alles. Zu meinen letzten Ferien, Gedanken zur Midlife Crisis, neuen Hobbies und ähnlichen tiefen Fragen dann vielleicht ein andermal: es ist schon spät *gähn*
Mittwoch, 2018-08-08 | 0:29:44 CET
Ich könnte jetzt hervorragend über meine vollgepackten Arbeitstage jammern, die elende Hitze fluchen oder mich zum wiederholten Mal öffentlich über den gefährlichen Verrückten aufregen, der derzeit im Weissen Haus sitzt – das wäre allerdings alles nicht wahnsinnig spannend. Dann kritisiere ich lieber eine Serie, die eigentlich ein Geniestreich ist und erschreckend gut in die Zeit passt. Empfehlung! Trotz aller Macken, und da gibt es einige:
Der grosse Erzählbogen über die bislang drei Staffeln von Mr. Robot [1] hinweg ist leider doch eher wirr. Der Versuch in der dritten Staffel, ein paar Seitenhiebe auf den zum Drehzeitpunkt frisch gewählten amerikanischen Präsidenten einzubauen, wirkt aufgesetzt und überflüssig: auch die fantasievollen Macher der Serie konnten nicht ahnen, wie sehr die Realität die verücktesten Voraussagen übertreffen würde. Irving ist ein hoffnungslos überzeichneter Charakter, der mir den Spass an Mr. Robot fast verdorben hätte. Die Serie hätte gegen Ende auch gerne etwas weniger brutal sein dürfen. Nach der mitreissenden ersten Season war die zweite für viele, auch mich, erst einmal eher enttäuschend (Durchhalten lohnt!).
Geschenkt!
Die Schauspieler: fantastisch. Neben dem von Anfang bis Ende brillierenden Rami Malek in der Hauptrolle fällt mir da vor allem noch Michael Cristofer ein, der dem Konzernchef der »E Corp«, Phillip Price, ein Charisma, eine Schärfe und eine Skrupellosigkeit verleiht, die man sofort mit dem Oscar belohnen möchte.
Die Hacking-Szenen: ziemlich realistisch, so weit ich das sagen kann. Man scheut sich nicht, existierende Technik zu zeigen, dazu noch ziemlich clevere »social engineering«-Methoden. Kein »klicki-bunti« im Hollywood-Stil, sondern auch kryptische Kommandozeilen (und das sparsam genug, um Otto Normalzuschauer trotzdem nicht zu langweilen.)
Die Bandbreite: die Serie mutiert von der Hackerstory über das Familiendrama, über beissende Konsum- und Kommerzkritik hin zu einer Agenten- und Intrigen-Story, dann zum Psychothriller, zur Office-Komödie, zum FBI-Reisser, schliesslich zum Polit-Spektakel und zur Verschwörungsgeschichte.
Der Zuschauer wird dabei auch immer wieder recht erfolgreich im Kreis manövriert und durch sich plötzlich öffnende Falltüren geworfen: wird einem zunächst die Verkommenheit des »einen Prozent des einen Prozent« vorgeführt, um einen den Traum von der linken Revolution mitträumen zu lassen, entpuppt sich diese nach Gelingen als der eigentliche Alptraum – für den man sich einen schnellen Rollback wünscht. Bestaunt man zunächst den grenzenlosen Ehrgeiz und die Abgebrühtheit des Jungmanagers Tyrell Wellick, stellt man schnell fest, dass hinter ihm mit Joanna Wellick eine Frau steht, die die Schraube in Sachen Ehrgeiz und Abgebrühtheit noch ein paar Umdrehungen weitergedreht hat und einem erst so richtig Angst einjagen könnte. Aus der am Anfang eher schüchtern wirkenden Angela Moss, die sich von der Firma scheinbar korrumpieren lässt, um im Zuge ihres Aufstiegs den Erzbösewichten an der Spitze immer ähnlicher zu werden, wird eine knallharte Powerfrau – deren Zusammenbruch am Ende um so dramatischer ausfällt. Dazu lernt man, dass die Perspektive der Hauptfigur alles andere als eine zuverlässige ist. Der gemeinste Trick soll hier nicht verraten werden, aber es geht dabei natürlich um die titelgebende Figur … und produziert eine hochspannende, zugleich amüsante Folge in der dritten Staffel. Ein wahrer Kampf gegen den inneren Schweinehund!
Mr Robot ist jedenfalls unterhaltsam, vielschichtig, aktuell, böse, und will den Zuschauern einiges mitteilen. Worin aber die Botschaft besteht, wird vom Betrachter abhängen. Ich bin mir nicht mehr so sicher, welche bei mir die Oberhand gewonnen hat (Grosskonzerne sind fies? Revolutionen sollten besser eine Idee bleiben? Jeder ist korrumpierbar? Die wahren Bösewichte sind die Chinesen??), aber ziemlich sicher, dass mir viele spannende Details entgangen sind – und es sich lohnt, noch einmal bei der allerersten Folge anzufangen.
P.S.: Eine vierte Staffel scheint zu kommen. Ich hoffe einfach, man vermeidet die Fehler von LOST.
[1]
https://www.themoviedb.org/tv/62560-mr-robot
Zur Abwechslung: die fränkische Schweiz
Montag, 2018-07-23 | 22:32:43 CET
Wunderschön waren die Tage, dort – das hat über den halbrunden Geburtstag hinweggetröstet. Traumwetter, Traumlandschaft.

Und wo das Bild aufgenommen wurde? Wichsenstein (nicht lachen!), vom »Burgstall« aus [1]. Und wer ganz genau schaut, sieht sogar meinen geparkten Wagen, der mal richtig über die Landstrassen gescheucht wurde.
[1]
https://de.wikipedia.org/wiki/Burgstall_Wichsenstein
Montag, 2018-06-11 | 0:44:10 CET
Oder sollte ich besser sagen: ein neues? Zumindest ein neues Produkt, und die fränkische Herkunft (!) macht dieses glutenfreie Erzeugnis schon zu etwas Besonderem. Aus einer ähnlichen Ecke (allerdings: Oberpfalz!) kenne ich bislang nur das Neumarkter Lammsbräu, das es auch als glutenfreie Variante gibt.
Und dann bin ich neulich auf dieses Bier [1] gestossen – das sogar zusätzlich noch als fertig gemischtes »Radler« verkauft wird.

Dazu folgendes Mini-Review, nach einem warmen Wochenende, zu dem ein kühles Bier ja hervorragend passt: das Radler fand ich nicht wahnsinnig lecker; zu viel Limonade, relativ säuerlich, das Bier hält sich vornehm im Hintergrund. Erfrischend, aber … nicht ganz mein Ding. Aber alleine, dass es ein glutenfreies Radler aus fränkischer Produktion gibt, das ist ja schon eine Sensation. Nach dem Radler war ich dann allerdings nicht mehr ganz so optimistisch, das Bier betreffend. Aber siehe da, das Helle war durchaus in Ordnung. Nicht unter den Allerbesten seiner Art, aber doch süffig. Es könnte noch etwas würziger sein, aber hat keine merkwürdigen Noten wie die diversen Craft-Biere, Hirse- oder Reisprodukte, die ich in meinem Blog auch schon verkostet und besprochen hatte. Das Schleicher ist ein waschechtes Bio-Produkt, entspricht dem Reinheitsgebot und kommt aus der richtigen Gegend. Und das alles noch glutenfrei! Der neue Kandidat hat sich damit gleich mal in die Top-5 vorgedrängelt. Jetzt müsste es nur noch leichter zu besorgen sein (Libergy [2] ist ein toller Laden, aber liegt für mich nicht gerade am Weg. Vielleicht muss ich mal den Online-Shop testen.)
[1]
http://brauerei-schleicher.de/produkte/
[2]
https://www.libergy.ch/
Dienstag, 2018-05-29 | 23:05:43 CET
Einmal mehr: die Zeit rast, und irgendwie sind schon wieder zwei Monate vorbei. Aber: ich lebe noch! Und wer häufiger Lebenszeichen von mir sehen will, muss sich eben auf Twitter bemühen (so weit ist es schon gekommen mit mir, tja).
Das allerwichtigste in Kürze: zurück aus dem abgelegenen Örtchen Sand in Taufers im wunderbaren Südtirol, nach einem zu kurzen Wander- und Wellness-Aufenthalt. Alles da was es braucht – ordentliche Berge, viel Grün, eine romantische Burg. Noch dazu gab's feinstes glutenfreies Essen in einem kleinen, ausgesprochen schönen und liebevoll geführten Hotel. Super!

Nur das Wetter, das war etwas durchwachsen. Aber schwitzen, das kann ich ja jetzt im Büro wieder.
Ansonsten habe ich die letzten Monate einiges gelernt: wie teuer ein Auto-Service wirklich sein kann. Und wie beruhigend mittägliche Meditation. Und wie nervig Online-Auktionen.
Und demnächst, da mache ich vielleicht sogar noch etwas Musik. Wenn es die Zeit erlaubt (also eher nicht). Dazu irgendwann später mehr.
Montag, 2018-03-12 | 0:23:10 CET
Man kann dort hervorragende Kaffeebohnen [1] und vor Ort handgenähte, wunderbare Krawatten kaufen [2].
Man kann dort Leute bestaunen, die Samstagnacht in einem Bäckereigeschäft sitzen und belegte Brötchen essen, oder anderenorts solche, die ihr Dinner freiwillig in einem Restaurant einnehmen, das den klinisch-technischen Charme eines Biolabors versprüht (und wo der verwendete Salat vermutlich unter Reinraumbedingungen indoor angebaut und zweimal täglich geerntet wird [3]).
Man kann sich mit Flüssigstickstoff Eiscreme fabrizieren lassen [4], die ziemlich lecker ist, sollte sich aber nicht über den Herrn in der Warteschlange hinter einem wundern, der selbstverständlich eine handgestrickte Mausmütze trägt – oder unweit der Eisdiele bei der Produktion von Brillen zusehen, für deren Gläser im Laden eine tolle Fertigungsanlage mit Achterbahnqualitäten aufgebaut ist [5].
Mein Lieblingsort ist aber der grösste, faszinierendste Buchladen, den ich kenne [6]. Nächtelang könnte ich dort durch alle Etagen schleichen, und eigenartigerweise macht es neben der gigantischen Auswahl einen guten Teil des Reizes aus, dass das Ding so lange offen hat. Tagsüber … ist es einfach nur eine Buchhandlung, nachts hingegen ein magischer Sehnsuchtsort. Alles Weltwissen an einem Platz! Kein Thema zu abseitig, um dort nicht einen ganzen Regalmeter dazu vorzufinden! Wo sonst könnte man spontan »Von der Kunst, einfach anzufangen« oder »Algorithms to Live By – The Computer Science of Human Decisions« kaufen?
Ah ja, und ein, zwei Haken gibt es auch noch. Die Hipster-Dichte ist in einigen Ecken der Stadt eindeutig zu hoch – über vierzig und ohne Vollbart kommt man sich dann schnell mal doof vor. Und: bei längerem Aufenthalt droht der sensorische Overload. Zu gross, zu laut, zu schräg, zu dreckig. Und natürlich: Tegel ist eine Frechheit! Aber egal. Auf nach Berlin! Für maximal drei, vier Tage.
[1]
https://thebarn.de/
[2]
https://www.auerbach.berlin/
[3]
http://good-bank.de/
[4]
http://www.woopwoopicecream.de/
[5]
https://yun-berlin.com/default/service
[6]
https://www.kulturkaufhaus.de/
Mittwoch, 2018-01-31 | 23:57:31 CET
Manchmal scheint es, als bestünde das ganze Leben aus der Konkurrenz jeweils zweier Optionen. In meinen Kindheitstagen: Puma oder Adidas? ( … Puma natürlich!) – »Star Treck« oder »Krieg der Sterne«? Lego oder Fischertechnik? (Von dieser quälenden Frage zeugten damals dutzende vernichtete und neu geschriebene Weihnachts-Wunschzettel.) – Amiga oder Atari? – Später der Klassiker aller Informatik-Studenten: Emacs oder vi? – Im Job dann: Business oder IT? ( … am liebsten beides!) – Python oder R? – Als Konsument: Coop oder Migros? – Als Erwachsener: mieten oder kaufen? – Als Zeitungsleser und Kaffeetrinker: Tagi oder NZZ, dazu ein Espresso oder ein Filterkaffee? – Als Handynutzer: Iphone oder Android? – Als Bücherwurm: Verbrechen oder Strafe? – Und: soll ich mir die Hand oder einen Zeh brechen? Warum nicht beides, sagte ich mir.
Begleitet von diesen tiefen (?) Gedanken wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ein ge-, kein misslungenes Jahr 2018. Volle 8.5% davon sind ja schon wieder um.


