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Modernes Retail-Banking [FINANCE POST]

Sonntag, 2021-08-22 | 23:55:59 CET

Die Herausforderung: als Kunde mit Domizil im Ausland ein Girokonto bei einer deutschen Direktbank eröffnen, um geerbte Gelder bei zwei anderen Instituten zusammenzuführen und von dem neuen Konto regelmässig anfallende Kosten für eine Immobilie zu bezahlen. Das Problem: viele deutsche Banken nehmen aus Prinzip keine Kunden mit Domizil im Ausland an. Die, die es theoretisch täten, tun es aus einer Reihe möglicher Gründe (der genaue Grund bleibt ein Geheimnis) dann manchmal trotzdem nicht. Ist man in der »glücklichen« Lage (eben etwa durch Erbschaft) elektronischen Zugang zu einem bestehenden Konto zu erhalten, ist man mit erstaunlichen Stolpersteinen und Unzulänglichkeiten konfrontiert.

Story 1: Kandidat 1, eine der wenigen Banken, die Kunden mit Domizil im Ausland (angeblich) akzeptieren und nicht von vorne herein ablehnen, dazu mit gratis Kontoführung (wenn man eine lange Reihe von Bedingungen erfüllt, darunter einen regelmässigen Zahlungseingang, sonst kostet es ein paar Euro im Monat – für mich OK, bin ich bereit zu zahlen). Kontoeröffnungsantrag online auszufüllen versucht, bei der Erfassung des Domizils auf ein viele Seiten langes PDF verwiesen, das man stattdessen ausfüllen und mit physischer Post senden soll – dazu einige weitere Formulare, die man selbst zusammensuchen darf. Alles gemacht und versendet, nächster Schritt Identifizierung via PostIdent in einer deutschen Postfiliale. Gemacht, brav Originale meiner letzten Strom- und Steuerrechnung (zwecks Nachweis der Domiziladresse) mitgenommen wie verlangt, mit denen die Dame bei der Post aber nichts anzufangen weiss. Sie macht keine Kopien, ich muss dann einen Scan per Email nachreichen, wieder von der Schweiz aus. Alles erledigt, die Sache geht endlich ihren Gang. Eine Woche später Post, ein generischer Standardbrief: Kontoeröffnungsantrag abgelehnt, keine konkreten Gründe, nur eine Liste von Kandidaten, schlechter Schufa-Eintrag zum Beispiel, aber die hat mich gewiss nicht in den Akten. Nachfragen und Bitten bleiben erfolglos, man will mich (mein Leben lang nie arbeitslos, stets schuldenfrei, bester Leumund, für deutsche Verhältnisse hervorragend verdienend, selbst Bankangestellter) einfach nicht. Man könnte es fast persönlich nehmen. Wenn ich raten müsste? Zu komplizierter Kunde, zu wenig an mir zu verdienen, Compliance-Aufwände zu hoch, Doppelbürgerschaft verdächtig … was weiss ich. Es mag am Korsett aktueller Regulierung liegen, oder an einer schlichten Aufwand/Ertrag-Rechnung.

Story 2: Eine zweite Bank führt das Sparkonto meiner verstorbenen Mutter und gibt mir etwa fünf Monate nach entsprechender Information und Beibringen aller nötigen Dokumente (Sterbeurkunde, notariell beglaubigte (!) Passkopie etc.) und mehrfachem Nachfragen doch noch Zugriff auf dieses Konto, das dann auch auf mich übertragen werden kann und jetzt unter meinem Namen läuft. Der Login gestaltet sich nicht ganz einfach, selbst für mich als technik-affinen studierten Informatiker – was war noch einmal der Unterschied zwischen der Online-PIN und der eBanking-PIN? Wieso benötige ich noch zusätzlich einen numerischen Key, und muss mich mit einer TAN-Liste herumschlagen? Auch im Schweizer Banking ist wirklich nicht alles Gold was glänzt, aber das erinnert mich doch an den technischen Stand in der Schweiz vor zehn Jahren. Wie auch immer, der Login ist geschafft – nun lockt die Option »Girokonto eröffnen«, um nebenbei vielleicht obiges Problem zu lösen. Dann würde ich als Kunde bleiben. »Eine Eröffnung eines weiteren Kontos ist für Sie nicht möglich.« Gut, dann muss ich mir einen anderen suchen. Vielleicht sollte ich das Sparkonto leeren und schliessen. »Konto löschen« heisst die Option, aber die ist nur verfügbar, wenn ein Referenzkonto hinterlegt ist. Das zuletzt hinterlegte (meiner Mutter) ist automatisch entfernt worden. Fair. Mein Schweizer Konto hinterlegen kann ich jedoch nicht: aus Sicherheitsgründen darf man das Referenzkonto nur alle 30 Tage ändern, und die von der Bank selbst ausgelöste Entfernung des vorherigen Referenzkontos zählt als Änderung. Die Suche nach einer Kommunikationsmöglichkeit mit dem Institut führt zunächst nur zu einem AI-Chatbot: »Um ein Sparkonto zu löschen, hinterlegen Sie ein Referenzkonto. Hat Ihnen diese Antwort geholfen?« – mein »Nein« verunsichert ihn nicht. Am Ende finde ich doch eine Möglichkeit, der Bank eine Nachricht zu senden – für das Abschicken braucht man allen Ernstes eine TAN. Am nächsten Tag erreicht mich eine Email: »Sobald Ihr Extra-Konto gelöscht ist, bekommen Sie Ihren Abschlussauszug von uns. Der ist auch gleichzeitig Ihre Löschungsbestätigung. Sie möchten sofort einen Haken dahinter haben? Dann nehmen Sie das einfach gleich selbst in die Hand: Log-in Banking > Meine Konten > Extra-Konto > Mehr > Konto löschen« … die offenbart, dass man meine Nachricht nicht wirklich gelesen hat, in der ich ihnen erklärt hatte, dass mir dieser Weg nicht offen steht, weil sie selbst kürzlich das vorherige Referenzkonto gelöscht haben. Jetzt warte ich darauf, dass das Geld auf meinem Schweizer Konto eintrudelt.

Story 3: Bei einem dritten Institut gibt es ein Girokonto, auf dass ich etwas schneller Zugang erhalte – das sich aber »leider nicht umschreiben lässt« und nach wie vor auf meine Mutter läuft. Der Login-Dschungel ist ganz ähnlich, wenn nicht schlimmer; man jongliert mit vier oder fünf verschiedenen Codes, Passwörtern und Identifiern, aber dazu mit einem alten und einem neuen eBanking. Nahezu jede Aktion in den beiden eBanking-Lösungen braucht eine Bestätigung auf einer speziellen App, die man aber leider, einmal installiert, nie mehr auf ein neues Handy verschieben kann, ohne den Support zu bemühen. Kontobewegungen sieht man nur innerhalb eines eng eingegrenzten Zeitraums, Kontoauszüge als PDF kann man »elektronisch bestellen«, stehen dann »frühestens am folgenden Bankarbeitstag zur Verfügung«. Uff, Steinzeit, und genug Grund, dort gar nicht dauerhaft Kunde werden zu wollen. Zurück zum Ausgangsproblem, »finde eine Bank« …

Fassen wir zusammen: für Deutschlands »beste Bank« [1], die »Bank neu denken« will, bin ich als Kunde nicht attraktiv genug, um auch nur ein banales Girokonto ohne Dispo eröffnen zu dürfen. Man lernt das erst nach einem ellenlangen Eröffnungsprozess, die Gründe bleiben streng geheim, zweiseitige Bettelbriefe bleiben selbstredend erfolglos. Bei Deutschlands »beliebtester Bank 2021« [2] (Warum sind das eigentlich zwei verschiedene Institute? Lieben die Leute nur den Zweitbesten?) hingegen bin ich zwar geduldet (wenn auch nicht für ein Girokonto), aber mit zahlreichen anderen Unzulänglichkeiten und Stolperfallen konfrontiert. Der Dritte im Bunde [3] macht keine viel bessere Figur, konfrontiert einen mit einem ähnlichen Login-Dschungel wie Kandidat 2 sowie unterhaltsamen anderen Macken (und zwei alternativen Online-Banking-Lösungen), aber war bislang zumindest nicht aktiv feindselig. Die Suche nach einem günstigen Girokonto in Deutschland für mich als auslandsdomizilierten Doppelbürger geht weiter. Bliebe zu wünschen, dass künftige Regulierung auch günstigen Anbietern wieder mehr Luft lässt, Kunden tatsächlich anzunehmen. Einsehen müssen wird man auch, dass die alleinige Konzentration auf die billigsten Konditionen nicht der Weg in die Zukunft sein kann. Vielleicht spielt ja die Service-Qualität doch eine Rolle …? Ich sehe mich für die sehr einfache Dienstleistung, die ich benötige, mehrere hundert Euro im Jahr berappen.

[1] => https://www.comdirect.de/
[2] => https://www.ing.de/
[3] => https://www.sparda-n.de/

 

Kommentare
 

*FACEPALM*

von Schubsi - Montag, 2021-08-23 | 23:42:41 CET

Das kann ja wohl nicht wahr sein …
 …angeblich nimmt die DKB ausländische Kunden. Hast du die mal probiert?
 

Noch nicht …

von Jan - Dienstag, 2021-08-24 | 13:26:49 CET

 … aber danke für den Tipp. Ich mache mich mal schlau, echte Eile besteht zum Glück noch nicht.

Und ja, »facepalm«. Meine Uralt-Bastellösung für's Blogging (Ersatz schon lange überfällig) sieht leider keine Emojis vor; heute wär's mal eine Gelegenheit wo man gerne könnte.

P.S.: Oh, geht doch! 🤦