Lissabon
Montag, 2017-04-03 | 22:44:13 CET
Wohlbehalten zurückgekehrt aus Lissabon kann ich nur sagen: was für eine herrliche Stadt! Sie wird nicht zu Unrecht manchmal als »Stadt des Lichts« bezeichnet (auch wenn mir Freund Google zu diesem Begriff Lüdenscheid vor Lissabon findet; manche Dinge kann man nicht erfinden!). Das Licht war tatsächlich besonders, was sicher auch mit den häufig zu sehenden, bildschön gekachelten Hauswänden zu tun hat, die die Sonne sanft reflektieren – und die Stadt ist ganz allgemein überaus fotogen, sei es in blitzeblank renovierten oder elegant gammeligen Ecken. Dazu ist Lissabon gesegnet mit einer trotz aller Härten des EU-Lebens fröhlich gebliebenen, sympathisch entspannten Bevölkerung.
Denkwürdig die Fahrt mit einem der kleinen, uralten Trams, die immer einen Weg durch das noch so grosse Verkehrschaos finden. Zur Not steigt der Chauffeur einfach aus, um einen Fahrer eines Autos, das die Strasse unnötig blockiert, persönlich zurechtzuweisen. Nach erfolgtem Zusammenschiss steigt er wieder ein, und weiter geht's.
Andere Impressionen, die hier wie aneinandergereihte Klischees wirken müssen: der Stolz auf die eigene Geschichte, der besondere Bezug zur See, die Verehrung der Nationaldichter und überhaupt die Begeisterung für das Lesen und das Buch (die herrlichen Buchläden, Antiquariate und Bibliotheken!) sind überall spürbar.

Ein, zwei Probleme sollen allerdings auch nicht verschwiegen werden. Erstens: Die Stadt war enorm gut besucht, den zahlreichen Touristen kaum auszuweichen. Wer vermutet, dass das nicht nur der offensichtlichen Schönheit dieses Orts geschuldet ist, sondern eventuell auch mit gefühlten oder tatsächlichen Terrorgefahren in anderen Ländern (oder deren Verwandlung in Diktaturen) zu tun haben könnte, liegt vermutlich nicht ganz falsch. Als Folge des Booms ist die halbe Altstadt eine Baustelle, weil man eilig alte Wohnhäuser renoviert, um Wohnungen als mietbare Apartments Reisenden anzubieten. Wie nachhaltig das ist, wenn so die lokale Bevölkerung aus ganzen Stadtvierteln verdrängt wird, das darf man sich fragen.
Zweitens: mindestens im Zentrum war die kulinarische Vielfalt sehr überschaubar. So ziemlich jedes Restaurant bietet mehr oder weniger authentische, bessere oder schlechtere traditionelle portugiesische Küche. Wer Lust hat, jeden Abend Oliven, Stockfisch oder Schweinebacken zu essen, dem mag das recht sein; wer wie ich nicht gerne Fisch hat, ist früher oder später frustriert, und selbst Fischliebhaber werden miesepetrig, wenn sie auch im zwanzigsten Restaurant die gefühlt identische Speisekarte lesen. Einen Inder haben wir gefunden, aber der hatte auch Makkaroni und Pizza mit auf der Karte. Kein Interesse! Dann lieber einen glutenfreien Cheeseburger bei einer bekannten Fastfood-Kette, die sich leider ausserstande sieht, dasselbe Produkt auch in ihren Schweizer Filialen anzubieten.


